Östrogendominanz und Progesteronmangel

Die Auswirkungen einer Östrogendominanz wurden hierzulande viele Jahre unterschätzt. Inzwischen zeigen jedoch zahlreiche Untersuchungen, dass eine Östrogendominanz nicht nur Zyklusstörungen, das Prämenstruelle Syndrom (PMS) oder einen unerfüllten Kinderwunsch zur Folge haben kann, sondern auch den

Wachstum von Myomen und die Aktivität der Endometriose fördert und nicht zuletzt an der Entstehung einer Hashimoto-Thyreoiditis beteiligt sein bzw.

diese weiter anheizen kann. Dennoch ist die Östrogendominanz selbst in Fachkreisen häufig noch unbekannt.

 

Wenn bei Frauen der Östrogenspiegel relativ erhöht ist, so dass die Östrogene ihren Gegenspieler Progesteron dominieren, liegt eine Östrogendominanz vor. Neben störender Gewichtszunahme, prämenstruellen Beschwerden und unerfülltem Kinderwunsch können zahlreiche andere Symptome auftreten. Die wichtigsten im Körper vorkommenden Östrogene sind Östron, Östriol und Östradiol, das auch weibliches Fruchtbarkeitshormon genannt wird. Sie spielen vor allem in der ersten Hälfte des weiblichen Zyklus eine wichtige Rolle. Denn sie bereiten den Eisprung vor – und damit die Gebärmutter auf eine mögliche Einnistung der Eizelle. Darüber hinaus haben sie einen direkten Einfluss auf verschiedene Organe und Gewebe. So schützen sie Frauen während der fruchtbaren Jahre z. B. vor einem Herzinfarkt, sorgen für eine glatte Haut, indem sie die Bildung von Kollagen anregen, oder sie stärken die Knochen, da sie die Zellen stimulieren, die die Knochensubstanz in die Knochen einbauen. Außerdem  wirken Östrogene förderlich auf die Produktion von Serotonin und andere Botenstoffe im Gehirn und damit stimmungsaufhellend und antidepressiv.

Bei manchen Frauen kommt es unter dem Einfluss von Östrogen allerdings zu vermehrten Wassereinlagerungen im Gewebe, dies äußert sich z.B. durch zyklisch

auftretende Spannungsgefühle in der Brust.

 

Lange Zeit standen der Östrogenmangel und seine Folgeerscheinungen im therapeutischen Fokus – die Rolle von Progesteron wurde dabei erheblich unterschätzt. Fakt ist jedoch: Damit es seine Funktion als Gegenspieler zum Östrogen erfüllen und so ein Zuviel an Östrogen ausbalancieren kann, ist ein ausreichend hoher Progesteronspiegel wichtig. Steht im Verhältnis zu Progesteron jedoch mehr Östrogen zur Verfügung, bekommt das Östrogen im hormonellen Regelkreis die Oberhand – und eine Östrogendominanz ist die Folge. Die Kehrseite der Östrogendominanz ist also immer ein (relativer) Progesteronmangel. Progesteron wird oft auch als „körpereigenes Gestagen“ bezeichnet und ist das dominierende Hormon während der zweiten weiblichen Zyklushälfte. Dass die Basaltemperatur in dieser Zeit konstant erhöht ist, geht

vor allem auf das Progesteron zurück. Progesteron wird in den Eierstöcken im sogenannten Gelbkörper (Corpus luteum) gebildet, in das sich das zurückgebliebene Eibläschen (Follikel) nach dem Eisprung umwandelt. Bleibt eine Befruchtung aus, geht der Gelbkörper innerhalb von etwa 14 Tagen zugrunde, und die Progesteron-Produktion sinkt. Zu den wichtigsten Aufgaben von Progesteron gehört, die in der ersten Zyklushälfte aufgebaute Gebärmutterschleimhaut darauf vorzubereiten, dass sich

eine befruchtete Eizelle einnisten und heranwachsen kann. Wie Östrogen ist Progesteron darüber hinaus u. a. für die Stabilität der Knochen von großer Bedeutung und steigert die Kollagenbildung, wodurch einer Faltenbildung der Haut entgegengewirkt wird. Zudem hat es eine antidepressive Wirkung, beeinflusst das Immunsystem,

normalisiert die Androgene, hat einen anregenden Effekt auf die Libido und unterstützt die Wirkung von Schilddrüsenhormonen. Darüber hinaus fördert Progesteron die Wasserausscheidung und wirkt entwässert.

 

Östrogen und Progesteron (Gelbkörperhormon) nehmen im Hormonhaushalt einer Frau eine Schlüsselrolle ein: Im gemeinsamen Wechselspiel fein aufeinander

abgestimmt, sind sie wesentlich an der Steuerung der Fruchtbarkeit und Fortpflanzung beteiligt. Im Umkehrschluss bedeutet das: Bereits kleinste Abweichungen wirken sich ungünstig auf den weiblichen Zyklus – und damit unter Umständen auch auf die weibliche Fruchtbarkeit aus. Doch auch für viele andere Prozesse und Organfunktionen ist eine stabile Lage der Sexualhormone (Geschlechtshormone) unerlässlich. So kann z. B. die Wirkung der Schilddrüsenhormone schon durch eine minimale Dysbalance von Östrogen und Progesteron erheblich beeinträchtigt werden und umgekehrt kann eine eingeschränkte Schilddrüsenfunktion Zyklusstörungen bis hin zu einem unerfüllten Kinderwunsch zur Folge haben. Ebenso sind negative Auswirkungen z. B. auf Haut, Knochen, das Herz-Kreislauf-System und auf die psychische Befindlichkeit möglich. So gesehen ist ein optimales Gleichgewicht der Östrogen- und Progesteronproduktion eine wichtige Voraussetzung für die Gesundheit und das Wohlbefinden einer Frau. Das Ungleichgewicht zwischen Östrogen und Progesteron sagt nicht unbedingt etwas über die tatsächliche Östrogenmenge aus, vielmehr ist das relative Verhältnis der beiden Geschlechtshormone zueinander entscheidend. Tatsächlich kann eine Östrogendominanz auch dann bestehen, wenn der Östrogenspiegel

objektiv selbst erniedrigt ist. Oder die Östrogen- und Progesteronwerte liegen (noch) im Normbereich, im Vergleich zu Östrogen besteht jedoch ein relativer

Mangel an Progesteron.

 

Unregelmäßigkeiten im Zyklus, Symptome des Prämenstruellen Syndroms oder unerfüllter Kinderwunsch, aber auch eine Verstärkung der Wechseljahresbeschwerden, Libidoverlust, Migräne, Wassereinlagerungen, Schlafstörungen und psychische Beeinträchtigungen wie Stimmungsschwankungen oder eine depressive Verstimmung – diese und viele andere Beschwerden können Hinweise auf eine Östrogendominanz bzw. einen Progesteronmangel sein. Doch auch für die Schilddrüse kann ein relatives Zuviel an Östrogen ungute Folgen haben. So verhindern z. B. dominant wirkende Östrogene, dass die Körperzellen die Schilddrüsenhormone T3 und T4 richtig verwerten können. Dadurch kann es zu Symptomen einer Schilddrüsenunterfunktion kommen – obwohl die Schilddrüse eigentlich genügend Hormone produziert. In diesem Fall spricht der Therapeut von einer funktionellen oder indirekten Schilddrüsenunterfunktion: Die Werte der Schilddrüsenhormone T3 und T4 sind zwar normal, jedoch ist der Wert des schilddrüsenstimulierenden TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon, Thyreotropin) erhöht, weil die Hypophyse die vermeintlich verminderte Schilddrüsenhormonproduktion anzukurbeln versucht. Nun ist es wichtig, den Therapieschwerpunkt weniger auf die Schilddrüsenunterfunktion, sondern vor allem auf die Östrogendominanz zu legen:

Wird der relative Progesteronmangel z. B. mit der Gabe von naturidentischem Progesteron gezielt ausgeglichen, bessern sich meist auch die Symptome der

funktionellen Schilddrüsenunterfunktion und der TSH-Wert normalisiert sich.

 

Auch zwischen einer autoimmunen Schilddrüsenentzündung und einer Östrogendominanz besteht ein Zusammenhang. Verschiedene Untersuchungen zeigen,

dass viele Patientinnen mit einer Hashimoto-Thyreoiditis gleichzeitig auch unter einem Progesteronmangel bzw. einer Östrogendominanz leiden. Zudem

erkranken überdurchschnittlich viele Frauen zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr – oft beginnt die Erkrankung mit den Wechseljahren, also zu einem Zeitpunkt, an

dem fast immer eine Östrogendominanz besteht. Andererseits bessert sich eine Hashimoto-Thyreoiditis oft während der Schwangerschaft, wenn die

Progesteronkonzentration kontinuierlich zunimmt. Leider sind dann nach der Schwangerschaft und dem Absinken des Progesteronspiegels akute Entzündungsschübe keine Seltenheit. Diese Beobachtungen lassen den Schluss zu, dass eine Östrogendominanz höchstwahrscheinlich auch die Entstehung einer Hashimoto-Thyreoiditis begünstigt. Ausgangspunkt für eine Hashimoto-Thyreoiditis kann also ein relativer Progesteronmangel sein. Denn das Sexualhormon nimmt auch auf das Immunsystem

Einfluss, etwa indem es Entzündungen hemmt und übermäßigen Immunreaktionen entgegenwirkt. Fehlt Progesteron, fällt dieses Regulativ weg – und trägt so möglicherweise mit zur Fehlregulation des Immunsystems bei, die dann zur Entstehung einer Hashimoto-Thyreoiditis führt.

 

Gebildet werden Östrogen und Progesteron vor allem in den Eierstöcken, wobei ihre Produktion von übergeordneten Zentren, vor allem von Hormonen der

Hypophyse und des Hypothalamus, gesteuert wird. Beide Sexualhormone gewährleisten, dass der weibliche Zyklus während der fruchtbaren Jahre einem wiederkehrenden monatlichen Rhythmus folgt, der zum einen dem Heranreifen einer oder mehrerer befruchtungsfähiger Eizelle(n) in einem Eierstock dient und zum anderen die Gebärmutter auf die Aufnahme einer Eizelle vorbereitet. Hierfür nehmen die Konzentrationen von Östrogen und Progesteron wellenförmig im Laufe eines Zyklus zu und wieder ab – und regulieren sich so permanent gegenseitig. Tritt keine Schwangerschaft ein, bildet sich die Gebärmutterschleimhaut wieder zurück und wird zu Beginn des folgenden Zyklus im Rahmen der Monatsblutung (Menstruation) abgestoßen. Dieser Kreislauf beginnt mit der Pubertät und endet mit den Wechseljahren. Wird der Zyklus durch eine Schwangerschaft unterbrochen, dienen die hormonellen Steuerungsmechanismen der Aufrechterhaltung und dem Schutz der Schwangerschaft.

 

Woran erkennt man einen Progesteronmangel oder eine Östrogendominanz?

  • Prämenstruelles Syndrom: Reizbarkeit, Brustspannen
  • Wassereinlagerungen
  • Gewichtszunahme
  • Stimmungsschwankungen
  • Depressive Verstimmung
  • Starke Menstruationsblutung
  • Lange Menstruationsblutung
  • Schmerzhafte Periode
  • Kopfschmerzen
  • Unerfüllter Kinderwunsch
  • Schwindelanfälle
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Schlafstörungen
  • Libidoverlust
  • Trockene Schleimhäute
  • Zysten
  • Myome
  • Verstärkung der Wechseljahrbeschwerden

 

Vor allem in den großen hormonellen Übergangszeiten im Leben einer Frau – Pubertät, Schwangerschaft, Wechseljahre – kommt es vor, dass sich das prozentuale

Verhältnis in der Produktion von Progesteron und Östrogen zugunsten des letzteren verschiebt. So zeigt sich eine Östrogendominanz oft in der Pubertät,

wenn der weibliche Zyklus noch nicht eingespielt ist. Zudem markiert die Östrogendominanz den Beginn der Wechseljahre (Prämenopause), wenn die Funktion der Eierstöcke allmählich nachlässt und der Progesteronspiegel mehr und mehr abfällt, die Östrogenproduktion jedoch noch weitgehend normal erfolgt. In dieser Phase kommt es immer häufiger zu Zyklen ohne Eisprung, sodass sich auch kein Gelbkörper – und damit nicht mehr genügend Progesteron bilden kann.Diese sog. anovulatorischen bzw. monophasischen Zyklen können auch bei Frauen im gebärfähigen Alter auftreten nach Absetzen der Pille, bei Essstörungen wie Bulimie und Magersucht, oder wenn ein PCO-Syndrom vorliegt und Frauen mit Kinderwunsch trotz scheinbar regelmäßiger Menstruationsblutung nicht schwanger werden können. In den fruchtbaren Jahren zwischen Pubertät und Wechseljahren sollte das Gleichgewicht zwischen Progesteron und Östrogenen jedoch ausgewogen sein.

 

Ursachen für Progesteronmangel und Östrogendominanz:

  • Hormonelle Übergangszeiten: Pubertät, Schwangerschaft, Wechseljahre
  • Einnahme der Antibaby-Pille
  • Genetische Veranlagung
  • Krankhafte Funktionsstörung der Eierstöcke
  • Hohe Insulinspiegel, Insulinresistenz
  • Starkes Übergewicht
  • Chronische Stressbelastung und Burnout Syndrom
  • Rauchen,
  • (übermäßiger) Alkoholkonsum
  • Mangel an Vitaminen und Spurenelementen, die für Östrogen-Abbau nötig sind (Vitamin B6, Vitamin B12, Vitamin C, Vitamin E, Selen, Magnesium)
  • Östrogene in der Nahrung (z.B. hormongemästetes Fleisch)
  • Xenoöstrogene (z.B. in Lacken, Wandfarbe, Baumaterialien)

 

Die durch eine Östrogendominanz verursachten Beschwerden lassen sich oft nur schwer von den Beschwerden durch die Schilddrüsenerkrankung trennen. Um in

diesen Fällen Sicherheit zu bekommen, ist eine Bestimmung der weiblichen Hormone notwendig. Ein solcher Hormonstatus lässt sich über den Speichel oder

über das Blut erstellen. Wichtig ist, dass nicht nur der Östrogenwert, sondern auch das Verhältnis zwischen Östrogen und Progesteron gemessen wird – nur so

lässt sich feststellen, ob eine Östrogendominanz vorliegt.

 

Ich empfehle meinen Patientinnen die Bestimmung des Progesteron/Östradiol-Quotienten mithilfe des Test auf Östrogendominanz, den Sie bequem bestellen können und mir dann die Ergebnisse zur Auswertung in die Praxis schicken. Der Normbereich entspricht einem Progesteron/Östradiol-Verhältnis von 100 :1, denn normalerweise wird zu jeder Zeit mehr Progesteron als Östradiol gebildet. Der Quotient sollte mindestens 100 betragen. Liegt der Quotient darunter, weist dies auf eine Östrogendominanz hin. Da neben einer Östrogendominanz oft auch ein Mangel an bestimmten Vitaminen (vor allem Vitamin D) und Spurenelementen (wie Selen) besteht, sollten diese

Werte ebenfalls überprüft werden. Weil eine Östrogendominanz immer auch ein relatives Zuwenig an Progesteron bedeutet, zielt die Therapie einer Östrogendominanz auf einen Ausgleich des Progesteronmangels ab. Davon profitieren auch viele Patientinnen mit Schilddrüsenunterfunktion und Hashimoto-Thyreoiditis. Es bessern sich nicht nur die durch den (relativen) Progesteronmangel verursachten Beschwerden, sondern auch die Unterfunktionssymptome lassen nach, wenn eine begleitende Behandlung mit Progesteron eingeleitet wird. Oft sinken mit der Zeit auch die Antikörper, wenn der Progesteronmangel konsequent ausgeglichen wird.

 

In meiner Praxis erfolgt die phytotherapeutische Therapie vor allem mit Pflanzen, wie Mönchspfeffer, Schafgarbe, Frauenmantel und wilder Yamswurzel. Sollte sich diese Therapie als nicht ausreichend erweisen, bitte ich meine Patientinnen mit einem Arzt Ihres Vertrauens Kontakt aufzunehmen und sich bioidentisches Progesteron (1%) verordnen zu lassen.